Wie wir unsere persönlichen Energielieferanten und -räuber effektiv im Blick behalten

Wer ist die wichtigste Person in deinem Unternehmen? Vielleicht zögerst du jetzt einen Moment, denkst an X oder Y, vielleicht an Katrin oder Matthias, und überlegst: Wer von beiden ist wichtiger? Deine Mitarbeiter sind sicherlich wichtig, keine Frage.

Die allerwichtigste Person in deinem Business bist jedoch du selbst.

Daher ist es für das Wohlergehen deines Unternehmens – und für ein sinnvolles Wachstum – fundamental wichtig, dass es dir gut geht. Das ist eine banale Feststellung. Banal heißt jedoch nicht, dass alle Unternehmer und Freiberufler sie stets beherzigen.

Wenn du hier regelmäßig mitliest, weißt du es schon: Auch diesen Beitrag gibt es wie die meisten in abgewandelter Form in meinem Biztopia-Podcast zum Hören. Hier kannst du ihn direkt abspielen:

Häufig erlebe ich Unternehmerinnen und Unternehmer, die von sich sagen: „Ich arbeite locker 60 Stunden oder mehr. Ich gehe mit gutem Beispiel voran. Solange ich nicht 40 Grad Fieber habe, bin ich selbstverständlich im Büro. Und wenn ich merke, dass es mir nicht gutgeht, dann sage ich mir: Reiß dich zusammen. Muss ich etwas tun, dass mir widerstrebt, dann treibe ich mich an: Los jetzt, stell dich nicht so an.“

Sicher, es ist nichts dagegen zu sagen, pro Woche 50, 60 Stunden oder auch mal mehr für sein Business aktiv zu sein, wenn es einem gut geht und man mit Freude dabei ist. Das mache ich auch heute noch, und ich erinnere mich an Zeiten, wo ich auf 70 Stunden kam.

Um die Stunden und Minuten geht es nicht, jedenfalls nicht vorrangig. Wichtig ist etwas anderes:

Wie geht es dir, der Unternehmerin oder dem Unternehmer, der für sein Business sehr wichtig ist, der oder die dafür die Verantwortung trägt?

Ich nutze hier gern den Begriff „Energie“. In der Physik ist Energie – vereinfacht gesagt – definiert also die Fähigkeit, Arbeit zu verrichten. Übertragen wir diesen Begriff auf einen Menschen und fragen, wie viel Energie er oder sie hat, dann geht es darum, wie viel er aktuell machen kann, tun kann, leisten kann. Und es schließt sich die spannende Doppelfrage an: Wie kann er mehr Energie gewinnen, und wie verliert er möglicherweise unnötig Energie?

Und spätestens hier enden die Parallelen zu den Naturwissenschaften: Während man für einen leblosen Körper – eine Kugel, ein Auto, was auch immer – eindeutige und übertragbare Berechnungen anstellen kann, gilt beim Menschen: Es kommt darauf an! Was den einen viel Energie kostet, das gibt einem anderen möglicherweise sogar Energie. Energie brauchen wir am Ende jedoch alle. Und es kommt vor, dass – ganz akut oder auch chronisch – nicht genug da ist. Dann fühlen wir uns als Selbständige und Unternehmer möglicherweise „kaputt“, „ein wenig ausgelaugt“ oder im schlimmeren Fall sogar „ausgebrannt“.

Das ist für das Unternehmen ungut, teilweise regelrecht gefährlich. Und für uns persönlich erst recht. Am Ende droht hier möglicherweise sogar ein Burnout, speziell dann, wenn wir das Gefühl haben, wir müssen uns bei all dem auch noch verbiegen. Dazu an anderer Stelle einmal mehr. Wenn du den Eindruck hast, dass du davon betroffen sein könntest, führe bitte ein Gespräch mit einem Arzt, um dies weiter abzuklären.

Auch wenn wir gesund sind, ist es wichtig, unseren persönlichen Energielevel im Blick zu behalten, um ggf. rechtzeitig etwas unternehmen zu können. Genauso wie wir für unser Unternehmen regelmäßig die Kennzahlen bzw. KPIs betrachten (hier mehr dazu) und uns vielleicht auch immer wieder mal auf die Waage stellen, um das eigene Gewicht zu kontrollieren, gilt es, unseren Energielevel zu beobachten und ihn ernst zu nehmen.

Das ist der notwendige erste Schritt. Der zweite ist, dass wir unsere persönlichen – wir Menschen sind individuell unterschiedlich – Energieräuber und -lieferanten kennen und entsprechend agieren. Das ist kein Luxus, sondern absolut sinnvoll.

Vielleicht denkst du jetzt: Na klar, aber das ist schöne Theorie. Wie bitte könnte ich das in der Praxis angehen? 

Dazu möchte ich dir gleich ein einfaches Verfahren vorstellen. Es kostet kein Geld und nicht viel Zeit. Es setzt lediglich voraus, dass du dich ernst nimmst und es angehst.

Und dies ist aus meiner Sicht sehr ratsam, denn du wirst in deinem Unternehmen in allen ihren drei Rollen gebraucht, als Drehbuchautor, Regisseur und Darsteller (mehr dazu hier). Die Darstellerin oder der Darsteller wird höchstwahrscheinlich auch außerhalb seiner Firma gebraucht: von seiner Familie, seinen Freunden usw. Bei der Frage, was dir Energie gibt und was umgekehrt Energie kostet, geht es um dich als Darsteller, also um den Menschen, der Tag für Tag in seiner Firma agiert, mit individuellen Stärken und Schwächen, Fähigkeiten und Bedürfnissen. Du brauchst diese Energie, um deine eigene Story und die deines Business für dich sinnvoll weiterzuschreiben (hier kannst du mehr über die Bedeutung deiner „Story“ nachlesen).

Was genau kannst du also tun, um deinen Energielevel, die Energieräuber und die -lieferanten sicher im Blick zu haben?

Für mich funktioniert das folgende Vorgehen. Ich schlage vor: Probiere es einmal so für dich aus und passe es dann entsprechend deiner persönlichen Situation an.

1. Vorbereitungen

Lege fest, wann und wie oft du künftig auf deine Energie schauen möchtest. Mache dann einen festen Termin mit dir und trage ihn als wiederkehrenden Termin in deinen Kalender ein.

Beispiel: Jeden Freitag um 14:00 Uhr, Dauer: 15 Minuten (beim ersten Mal wirst du länger brauchen).

Entscheide, wie du deine Erkenntnisse dokumentieren wirst. Die eine mag sich für eine Excel-Tabelle entscheiden, der andere zieht ein neues Notizbuch vor, was er sich extra hierfür kauft. Wichtig ist, dass dir das Medium liegt und du auf deine Notizen später stets leicht zugreifen kannst.

2. „Messung“

Auf einer Skala von 1 bis 10, wie viel Energie hast du

a) ganz aktuell, also zum Beispiel an diesem Freitag um 14:01?
b) im Schnitt in dieser Woche gehabt (vom Freitag der Vorwoche um 14:15 bis jetzt?)

Es ist wichtig, sich beide Werte anzuschauen, weil der aktuelle „Messwert“ möglicherweise signifikant vom Durchschnittswert abweicht. Wenn es dir schwer fällt, einen Wert für die ganze Woche zu benennen, kannst du dir überlegen, zumindest zeitweise die aktuellen Werte täglich zu erheben und dann wöchentlich einen Durchschnitt bilden. Ich schlage dies hier nicht generell vor, weil manchem der Aufwand zu groß erscheinen mag – während andere dies zur festen Gewohnheit machen und den täglichen Moment der Reflexion („Wie geht es mir gerade, wie viel Energie habe ich?“) für sehr wertvoll halten. Schau einfach, was für dich passt.

3. Analyse

Jetzt sind deine Erinnerung und dein Spürsinn gefragt. Bitte halte fest, wen oder was du in der vergangenen Woche als Energielieferanten und was als -räuber erlebt hast. Sei hierbei ehrlich und so konkret wie möglich.

Beispiel: Möglichst nicht „schwierige Mitarbeiter“ oder „Frau Z“ oder „immer diese Auseinandersetzungen mit Z“, sondern „der Konflikt mit Frau Z am Mittwoch, nach dem ich mich total fertig gefühlt habe“. Möglichst nicht ganz allgemein „meine Kinder“, sondern „der Ausflug in den Tierpark am Sonntag, bei dem wir das erste Mal zusammen Wölfe beobachtet haben“.

Gerade zu Beginn, wenn man noch nicht so viel Übung hat, fällt einem vielleicht gar nicht so viel ein. Oder man wird bequem und notiert jede Woche wieder Dasselbe. Das kann entweder daran liegen, dass es einfach immer wieder genau dieselben Dinge sind, die einem Energie geben oder kosten, oder auch, dass man sich noch nicht angewöhnt hat, ganz genau so schauen.

Wichtig: Es geht bei dieser Übung nicht um Vollständigkeit, sondern um wertvolle „Fundstücke“, also darum, sich der Energieräuber und -lieferanten in unserem Leben bewusst zu werden, den Blick zu schärfen, und nach und nach immer wieder etwas Neues zu entdecken. Und da wir auch außerhalb unseres Business existieren: im beruflichen wie auch im privaten Bereich.

Möglicherweise kann die folgende Tabelle nützlich sein, um deinen Spürsinn zu schärfen und weitere Fundstücke zu entdecken. Bitte beachte  jedoch: Es geht nicht darum, sie komplett auszufüllen, sondern sie soll dich lediglich bei der Suche unterstützen, indem du dich fragst: Wenn ich an die vergangene Woche denke, fällt mir etwas ein, was mir in diesem Bereich (viel) Energie gegeben bzw. was Energie gekostet hat?

BUSINESS Energielieferanten:
Was hat mir Energie gegeben?
Energieräuber:
Was hat mich Energie gekostet?
Werte: Wie gut passen meine Werte zu dem, was ich tue?
Stärken und Fähigkeiten: Wie gut passen sie zu dem, was ich beruflich tue?
Menschen: Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten etc.
Finanzen und „Erfolg“
Rahmenbedingungen und Sonstiges
PRIVAT
Werte: Wie gut passen meine Werte zu dem, wie ich/wir leben?
Menschen (und Tiere): Partner, Familie, Freunde (evtl. Haustiere)
Gesundheit
Mein Zuhause
Genuss: Musik/Kunst, Essen, Natur erleben …
Hobbys: Sport, Reisen, Kino, Bücher, …


4. Auswertung und Entscheidungen

Jetzt kommt der wichtigste Teil: Betrachte deine Aufzeichnungen (vorrangig die der gerade vergangenen Woche, aber gern auch die der weiter zurückliegenden) und lasse dich davon inspirieren. Wähle dann vier konkrete Dinge aus, die du in der kommenden Woche in Hinblick auf deine persönliche Energie anpacken möchtest.

Gedanklich lässt sich die Tabelle in vier Quadranten aufteilen: In Bezug auf Business und Privatleben gibt es jeweils einen Quadranten, der zeigt, was dich Energie kostet, und einen, in dem es um die Dinge geht, die dir Energie geben.

Idealerweise wählst du für jeden Quadranten eine Aktivität, also:

  • Was wirst du im Business-Bereich ändern, damit einer deiner Energieräuber wegfällt – oder kleiner wird?
  • Was wirst du im Business-Bereich neu machen oder ausbauen, das dir Energie gibt?
  • Was wirst du im privaten Bereich ändern, damit einer dein Energieräuber wegfällt – oder kleiner wird?
  • Was wirst du im privaten Bereich neu machen oder ausbauen, das dir Energie gibt?

Sei möglichst konkret. Treff JETZT die Entscheidung, dies zu tun bzw. zu lassen. Und wenn möglich geh bereits JETZT den ersten Schritt. Das heißt, mach z.B. jetzt einen notwendigen Termin (oder sag einen ab) oder buch einen Tisch in einem Restaurant oder ruf deinen Partner oder deine Partnerin an, um den Ausflug oder Wochenendtrip zu planen.

Natürlich kannst du genauso zwei oder zehn Aktionen planen. Die Zahl vier und die Verteilung auf vier Quadranten sind aus meiner Sicht sinnvoll, weil vier konkrete Dinge (und dazu zählen auch Kleinigkeiten) in den meisten Fällen tatsächlich machbar sind, man einen Effekt spürt und sich angewöhnt, auf alle Bereiche zu achten.

Das Wichtigste ist jedoch: Nimm dich ernst. Halt diese vier konkreten Dinge, für die du dich entschieden hast, schriftlich fest (digital oder um Notizbuch) und setz sie um. Deinen nächsten wöchentlichen Termin mit dir selbst beginnst du dann mit einem Blick auf deine Aufzeichnungen. So kannst du dich gleich über die Dinge freuen, die du umgesetzt hast. Sag dir dann: Weiter so!

Hat etwas nicht geklappt, prüf ehrlich, woran es lag. Sei nicht zu streng mit dir, aber forsch nach, was du gebraucht hättest, um es möglich zu machen. Frag dich: Was hat gefehlt? So erhöhst du die Chancen, dass es beim nächsten Mal klappt. Entscheide dann frei, ob du es in der nächsten Woche nochmal angehen willst oder dich lieber für etwas anderes entscheidest.

Wenn du die Vorschläge befolgst, heißt dies nicht, dass es dir und deinem Unternehmen damit automatisch gutgeht.

Meistens gibt es Dinge, die sich relativ einfach ändern lassen und andere, bei denen es deutlich schwieriger wird. Bei manchen mag die Wurzel in unseren eigenen Haltungen und Gewohnheiten liegen, die wir über Jahrzehnte entwickelt haben und die sich nicht so leicht ändern lassen. Auf andere haben wir möglicherweise ohnehin nur bedingt oder gar keinen Einfluss.

Hier stößt das gerade vorgestellte Verfahren einerseits an seine Grenzen. Andererseits hilft es, genau diese harten Nüsse zu identifizieren. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass sich irgendwann auch an diesen Punkten etwas ändern kann. Jetzt, wo diese harten Nüsse klar vor uns liegen, können wie sie analysieren und entscheiden, wie wir damit umgehen. Häufig kann es an diesem Punkt sinnvoll sein, zu prüfen, ob externe Unterstützung nützlich sein könnte.

Ich wünsche dir viel Freude beim Ausprobieren! Auf dass du deinen Energieräubern das Leben schwer machen wirst und auf dass deine Energielieferanten immer mehr in den Vordergrund rücken, mehr Raum bekommen und dich regelmäßig mit ordentlichen Energieportionen versorgen.

Zum Wohle deines Unternehmens, aber genauso für dich persönlich und die Menschen in deinem Umfeld!

Auf einen Blick: Take-Aways

  • Gewöhne dir an, deinen Energielevel regelmäßig im Blick zu behalten, genauso wie deinen Kontostand oder dein Gewicht.
  • Lerne deine Energielieferanten und -räuber kennen. Schärfe durch Übung deinen Blick dafür.
  • Treffe konkrete Entscheidungen dazu, was du unternimmst, um mehr Energie zu gewinnen und weniger Energie zu verlieren.
  • Bleibe dran, prüfe regelmäßig, was schon geklappt hat, und pass an, was noch nicht gut funktioniert.
  • Widme dich auch den Energieräubern, die du nicht selbst kontrollieren kannst: Prüfe in Ruhe, wie du damit umgehen kannst und möchtest. Suche dir speziell hierfür ggf. externe Unterstützung.

Weiterführende Materialien

2018-05-18T16:02:14+02:00 10. März 2017|

Über die Autorin:

Nina Kreutzfeldt lebt und arbeitet als Business Coach, Beraterin und Sparringspartnerin in Hamburg. Im Biztopia-Blog sowie im gleichnamigen Podcast gibt sie regelmäßig Unternehmern, Freiberuflern und anderen Selbstständigen, die mit ihrem Business sinnvoll wachsen wollen, wertvolle Impulse.

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