Für diesen Beitrag habe ich ein wichtiges Thema gewählt, das auf den ersten Blick sicher nicht jeden begeistert: Gemeint sind Kennzahlen, manchmal auch KPIs genannt. Besonders wenn du Einzelunternehmer bist, Freiberufler oder Inhaberin eines kleinen Unternehmens, fragst du dich vielleicht, warum du dich überhaupt damit beschäftigen solltest.
Mir ging es lange Zeit ähnlich: In den ersten Jahren meiner Selbständigkeit hatte ich recht wenig Bezug zu Kennzahlen. Davor, als Managerin in einem internationalen Unternehmen, sah ich sie als notwendiges Übel mit zweifelhaftem Nutzen an. Meine Kollegen und ich meldeten im Reporting regelmäßig bestimmte Zahlen, ohne dass dies sichtbare Folgen hatte…
Inzwischen ist mir klar: Gute Kennzahlen KÖNNEN wirklich nützlich sein, auch für Selbständige und für kleinere Unternehmen. Schlechte – und damit meine ich in erster Linie unpassende – Kennzahlen können aber auch reine Zeitverschwendung sein…
Genau darum geht es übrigens auch in der neuen Episode in meinem Biztopia-Podcast:
Meine Erfahrung: Es lohnt sich, zu schauen, was für einen passt. Selbst für diejenigen, die als Solopreneure allein unterwegs sind, können einige wenige Kennzahlen wertvoll sein, sie können sie bei Entscheidungen unterstützen und Sicherheit geben.
Oft sieht die Realität jedoch eher so aus: Man verlässt sich auf sein Bauchgefühl, rechnet hier und da „Pi mal Daumen“ und fährt im Großen und Ganzen „auf Sicht“. Und ansonsten verlässt man sich auf die externe Buchhaltung oder seinen Steuerberater.
Abgesehen davon, dass die beiden die Firmenzahlen immer erst mit einem – teilweise beträchtlichen – Time-Lag sehen: Beide sind wichtig, aber zu wissen, wo man steht, das ist keine Aufgabe, die man an einen Dienstleister delegieren kann, sondern eine Kernaufgabe der Unternehmerin bzw. des Unternehmers. Sie ist notwendig, damit er oder sie seiner Rolle als Regisseur vernünftig nachkommen kann, also desjenigen, der das Unternehmen steuert (mehr zu den drei Rollen Autor, Regisseur und Darsteller findest du hier).
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert KPI (Key Performance Indicators) als Kennzahlen, „die sich auf den Erfolg, die Leistung oder Auslastung des Betriebs, seiner einzelnen organisatorischen Einheiten oder einer Maschine beziehen“.
Aus dieser Definition wird klar, dass es eine riesige Brandbreite möglicher KPIs bzw. Kennzahlen gibt. Da sind zum einen sehr „umfassende“ wie der Umsatz eines Unternehmens, zum anderen gibt es aber auch sehr spezielle.
Beispiele für spezielle KPIs:
- die Zahl der Besucher auf der eigenen Firmenwebsite,
- die Auslastung einer Abteilung, eines Teams oder eines bestimmten Mitarbeiters,
- die Zahl der über einen bestimmten Weg gewonnenen Neukunden oder
- die Krankheitstage in einer Abteilung
Wahrscheinlich fallen dir spontan noch viele weitere Punkte ein? Genau, diese Liste ließe sich beliebig erweitern. Aber viele Kennzahlen sind nicht gleichbedeutend mit guten oder nützlichen KPIs. Dasselbe gilt für die Wahl eines x-beliebigen Kennzahlsystems. Hierfür ist vielmehr eine andere Frage entscheidend …
SINN UND ZWECK von Kennzahlen: Warum brauchen wir überhaupt KPIs?
Kennzahlen sind wichtig, um den eigenen Erfolg zu tracken, um zu messen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Und wie weit man schon gekommen ist.
Solche Indikatoren nutzen wir auch sonst im Leben:
- Auf der Autobahn auf dem Weg in den Urlaub: Hier schauen wir auf die gefahrenen Kilometer („immerhin, schon 800 von 1000 km geschafft“), auf die Stimmung auf der Rückbank („wir müssen bald mal wieder eine Pause machen“) und die aktuellen Staumeldungen („wir fahren besser bei der nächsten Ausfahrt runter“).
- Bei der eigenen Fitness: Das eigene Körpergewicht, BMI u.ä. sind für viele wichtige Indikatoren, manch einer lässt den Puls, die gelaufenen Schritte und vieles mehr über ein Fitnessarmband tracken.
All diesen Kennzahlen, ob gefahrene Strecke oder BMI, ist gemeinsam, dass sie drei Dinge schaffen: erstens Sichtbarkeit, zweitens ein gewisses Gefühl von Sicherheit bzw. Kontrolle und drittens eine wichtige Entscheidungsgrundlage.
In der Sprache der ARD-Methode (mehr dazu u.a. hier) lassen sich die Zusammenhänge so beschreiben:
- Der Drehbuchautor hat auf einer Landkarte den Weg eingezeichnet.
- Über die Kennzahlen sieht der Regisseur, wie weit wir schon gekommen sind, mit welchem Tempo wir fahren, wie lange der Sprit noch reicht …
- … und kann dann z.B. entscheiden, den Motor aufzurüsten, bei einem Stau eine Abkürzung zu nehmen, einen Zwischenhalt einzulegen, …
- … und wenn er schlau ist, guckt er sich nicht nur das Auto an, sondern schaut auch, wie es dem Darsteller geht, denn ohne den kommt er nicht ans Ziel …
Die aktuellen Kennzahlen bilden somit – neben äußeren Rahmenbedingungen – eine wichtige Grundlage für Entscheidungen, für die Unternehmenssteuerung!
Was gilt es nun bei der Auswahl von Kennzahlen speziell für Selbständige und kleinere Unternehmen zu beachten?
12 Tipps für Kennzahlen, die wirklich nützlich sind
1. Jede Kennzahl misst den Erreichungsgrad oder einen wichtigen Umweltfaktor in Bezug auf ein wichtiges (Teil-)ziel unseres Business. Nur dann ist sie wirklich relevant.
2. Umgekehrt gilt: Für alle zentralen Ziele gibt es Kennzahlen. Wählt man nur einige Ziele aus, dann bekommt man ein verzerrtes Bild! Daraus ergibt sich auch: Ohne vorher definierte Ziele machen Kennzahlen keinen Sinn.
3. Achte stets darauf, dass alle Kennzahlen
a) klar definiert und
b) wirklich messbar (quantitative Ziele) bzw. eindeutig bewertbar sind (qualitativ Ziele).
4. Wichtig ist, dass wir auch, aber nicht NUR monetäre Kennzahlen verwenden. Haben wir unsere Ziele entsprechend „ganzheitlich“ definiert, so sollte sich das automatisch ergeben: Umsatz, Marge, Erlöse und Cashflow sind wichtig. Aber es geht darum, mehr zu beobachten als „harte Euros“, nicht zuletzt, weil die immer sehr gegenwartsbezogen sind.
In eine gute Kennzahlen-Sammlung gehören auch Indikatoren, die „weiche“ Faktoren messen, sei es die Zufriedenheit der Mitarbeiter, in Forschung und Entwicklung investierte Zeit …
5. Zu unserem persönlichen Biztopia zählen wir und unser Business: Überlege daher auch, wie du messen kannst, wie es dir als Unternehmer geht und wie es um die Erreichung deiner „Life-Ziele“ steht.
Beispiele: Wenn es dein Ziel ist, auch ausreichend Zeit mit der Familie zu verbringen, könnten dies geeignete Indikatoren sein: Wie viele Reisetage habe ich pro Monat? Wie oft schaffe ich es, um/vor 18 Uhr Feierabend zu machen? Mit der Familie zu essen? Am Abend noch etwas Nettes zu machen? Mir das Wochenende komplett frei zu halten? Auf einer Skala von 1 bis 10, wie gut geht es mir? Wie „ausgepowert“ bin ich?
6. Die Kennzahlen müssen regelmäßig und mit überschaubarem Aufwand erhoben werden können. Dazu gehört, dass es nicht zu viele sind!
Ein sinnvoller Kompromiss kann darin bestehen, zum Beispiel wöchentlich (oder monatlich) ein „kleines Bild“ mit den allerwichtigsten Kennzahlen zu betrachten und das „große Bild“ in Ruhe in einem größeren Abstand zu analysieren (z.B. monatlich und quartalsweise … jährlich ist zu selten!)
7. Damit Kennzahlen ihren Nutzen entfalten können, ist ein Punkt ganz entscheidend: All dies ist nicht nur möglich, sondern es wird tatsächlich gemacht! Und zwar nicht nur in den ersten zwei Wochen oder Monaten, sondern als feste Gewohnheit.
8. Hierfür ist die Voraussetzung, dass klar ist, wie und durch wen die benötigten Daten erhoben werden. Wie sieht der Prozess genau aus? Machst du dies als Unternehmerin bzw. als Unternehmer selbst? Oder delegierst du die Datenerhebung (bitte nicht die Analyse)? Frage dich ganz praktisch: Wo finde ich diese Zahl? Kann ich sie einfach nachschauen oder muss ich sie berechnen oder sogar recherchieren?
Klar sollte zudem sein, wie und wo werden die Kennzahlen anschließend festgehalten werden. Ideal ist dafür ein Dashboard, auf dem – vergleichbar mit dem Cockpit eines Flugzeugs – alle wichtigen Zahlen auf einen Blick zu sehen sind. Wenn du dich gefragt hast, warum ich als einleitendes Motiv für diesen Beitrag den Blick in ein Cockpit gewählt habe: Dies ist die Erklärung dafür. Ob dein eigenes Dashboard online auf einer internen Seite abgerufen werden kann oder du die Zahlen banal per Hand festhältst, ist dabei eher zweitrangig. Sie müssen jedoch stets leicht zugänglich sein.
9. Die gemessenen Werte werden mit Bedacht interpretiert, reflektiert, ggf. intern oder mit einem externen Sparringpartner diskutiert. Aus den Ergebnissen werden klare Konsequenzen gezogen.
Dies ist vielleicht der wichtigste Punkt: Die Kennzahlen sind zum Steuern da, sonst sind sie wertloser Ballast. Sie sind kein Selbstzweck!
10. Wenn du nicht allein bist: Alle wichtigen Mitarbeiter sollten die zentralen Kennzahlen kennen und – soweit es sinnvoll ist – wissen, wo das Unternehmen gerade steht.
11. Der Prozess des Kennzahlen-Findens selbst ist wertvoll. Nimm dir dafür Zeit, sei wachsam, lass dich inspirieren …
12. Kennzahlen sind nicht „in Stein gemeißelt“. Es gilt, sie in größeren Abständen zu überprüfen. Passen sie weiterhin? Brauchen wir inzwischen mehr oder tun es auch weniger?
Und: Haben sich unsere Ziele verändert, dann ist eine logische Folge: Wir müssen auch unsere KPIs anpassen!
Und nun?
Zu Beginn fragen sich viele: Wie finde ich nun die richtigen Kennzahlen? Wie kann ich ein Kennzahlsystem aufbauen, das zu mir und meiner Firma passt? All dies ist keine Rocket Science. Egal, ob Kennzahlen noch komplettes Neuland für dich sind oder du schon mit einigen Kennzahlen arbeitest, aber den Eindruck hast, dass ein „Update“ sinnvoll wäre…
Lege jetzt gleich los:
- Lade dir das entsprechende Arbeitsblatt aus der Biztopia Collection (s.u.) herunter, notiere darauf deine Ziele und erste Kennzahlen.
- Trage dir einen festen wiederkehrenden Termin in deinen Kalender ein, an dem du dich künftig mit dem Thema beschäftigst (zu Beginn vielleicht wöchentlich).
- Überlege dir: Brauche ich noch jemanden, der dabei sein sollte? Dann lade ihn ein!
Weiterführende Materialien
Definition Key Performance Indicator (KPI) (Gabler Wirtschaftslexikon)
Manchmal erkennt man, worauf man achten sollte, wenn man umgekehrt darauf schaut, wie man es gerade NICHT machen sollte: Vanity Metrics
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